Die Altersmischung

Der Aufbau eines guten Lern- und Arbeitsverhaltens gelingt nach Auffassung Maria Montessoris am besten in einer altersgemischten Gruppe. Sie ist die natürlichste Form einer menschlichen Gemeinschaft, wie die Familie zeigt, in der immer Menschen verschiedenen Alters zusammenleben. Das ist ihrer Meinung nach auch der Grund, weshalb Einzelkinder häufig schwierige Kinder sind und weshalb Eltern mit Erstgeborenen eher Probleme haben als mit den später Geborenen: Es fehlen die Gefährten.

Probleme sieht sie auch für eine Gruppe mit nur Gleichaltrigen: Wenn alle dasselbe wollen, wird ihre Betreuung schwierig. Deshalb fordert Montessori, dass die Gruppe weder zu klein noch homogen ist. Je zahlreicher die Kinder in einer Gruppe sind, umso deutlicher zeigen sich ihre Unterschiede und umso eher können sie voneinander lernen. Nicht Homogenität, sondern Heterogenität ist das Band sozialen Lebens! Darum betrachtet sie es als einen grundlegenden Fehler, der andere Fehler nach sich zieht, Schulklassen mit Kindern gleichen Alters zu bilden. “Unsere Schulen haben bewiesen, dass sich die Kinder verschiedenen Alters untereinander helfen; die Kleinen sehen, was die Größeren tun und bitten um Erklärungen (...), die Größeren werden zu Helden und Meistern, und die Kleinen bewundern sie”. “Unter ihnen besteht eine natürliche geistige Osmose” [48].

Man kann in altersgemischten Schulen beobachten, dass unter den Kindern ein regelrechter Unterricht stattfindet: Jüngere Schüler lassen sich von älteren gern belehren und inspirieren. Ältere Schüler zeigen oft ein besonderes Geschick im Erklären von Sachverhalten.

Dadurch findet ein Lernprozess auf beiden Seiten statt. Weit entfernt, Neid zu empfinden gegenüber dem Wissensvorsprung der Älteren, entwickeln die Jüngeren Achtung und Respekt, wissend, dass auch sie einmal in dieselbe Rolle schlüpfen werden.

Zum einen ist dabei der Altersunterschied groß genug, dass ein natürliches Entwicklungsgefälle entsteht, zum anderen ist er nicht so groß, dass Ausgrenzungen nahe liegen. Die Dreiermischung lässt außerdem geradezu idealtypisch kontinuierlichen Rollenwechsel und das Erleben verschiedener Rollen zu: in einer Gruppe jeweils einmal bei den Jüngsten, dann bei den Mittleren und schließlich bei den Ältesten zu sein. Dies wirkt sich sowohl individuell sehr bereichernd aus und hat auch gruppendynamisch förderliche Auswirkungen, da es Fixierungen und Hierarchien vorbeugt und Wandel als natürliches Phänomen erleben lässt.

In altersgemischten Gruppen finden Kinder auch leichter einen Weg, soziale Konflikte selbst zu lösen, ohne die Hilfe der Erwachsenen in Anspruch zu nehmen. Dabei fällt auch auf, dass Kinder anders reagieren als wir. Sie scheinen ein intuitives Gespür zu haben für echte Notsituationen, in denen Hilfe gefordert ist und für weniger gravierende Probleme, die sie ohne Weiteres ignorieren.

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